Die Geschichte unserer Stadt

GELD- MÜNZ- UND KREDITWESEN IN NEUSS

Münzen wurden hauptsächlich da gebraucht, wo Angebot und Nachfrage zusammentrafen, also auf den Märkten. Man kann es geradezu als eine Regel aufstellen, dass an den Orten, wo eine königliche Münze bestand, auch ein Markt war. Umgekehrt wurden größere Märkte mit einer Münzstätte belehnt.

Die erste Münze, die wir in Neuss nachweisen können, ist ein Dinar König Pippins d. J. (752—768) mit der Aufschrift NUESSIO. Wir sind also zu der Annahme berechtigt, dass in Neuss ein Markt von einiger Bedeutung bestand, der den König, der in Neuss einen Hof besaß, veranlasste, hier auch Münzen schlagen zu lassen. Bei der Lage dieses Marktes am Strom und am Übergang über den Rhein nach Innerdeutschland wird der Geldbedarf nicht gering gewesen sein.

Ob Münzprägungen in Neuss im 9. und 10. Jahrhundert stattgefunden haben, hat sich bisher nicht feststellen lassen. Wahrscheinlich hat keine Prägung stattgefunden, denn auch Köln, ein alter merowingischer Königssitz, stand im 9. Jahrhundert gegenüber Prägeorten wie Aachen und Dorstat merklich zurück. Erst unter Erzbischof Bruno, dem Bruder Ottos L, trat Köln wieder stärker hervor.

Ob damals auch in Neuss wieder geprägt wurde, ist eine noch nicht entschiedene Streitfrage. Erst unter Erzbischof Bruno II. (1131-—37) lässt sich die Prägung eines Dinars in Neuss nachweisen. Ein Dinar dieses Erzbischofs zeigt Brustbild und Namen des heiligen Quirinus und stammt aus Neusser Prägung.

Da der Erzbischof auch in anderen rheinischen Orten außerhalb von Köln, so in Andernach, Bonn, Rees, Wessem (niederländische Provinz Limburg) und Xanten, also an Orten mit wirtschaftlichem Verkehr, prägen ließ, so ist die Neusser Münzstätte durchaus gesichert.

Allerdings fällt auf, dass der Erzbischof an den genannten Orten, besonders aber in Andernach, in viel stärkerem Maße hat münzen lassen als in Neuss. Zur Erklärung dieses Umstandes wird man daran denken müssen, dass Orte wie Bonn und Andernach wohl in stärkerem Maße unter der tatsächlichen Regierungsgewalt ihres Landesherren standen als Neuss, das schon früh eine bemerkenswerte Selbständigkeit in seiner Selbstverwaltung hatte erringen können.

Besaß doch der Erzbischof in Neuss zwar eine Residenz, aber keine Burg, wie in den meisten anderen seiner Städte.

Ja, er hatte 1255 ausdrücklich für alle Zeit auf die Errichtung einer solchen Burg in Neuss verzichtet.

Damit fehlten aber auch die Ansatzpunkte für eine größere Landesverwaltungsstelle, der man die erzbischöfliche Münze hätte anvertrauen können. Wirtschaftlich hat sich das für die Stadt wohl kaum ausgewirkt, da bei der umfangreichen wirtschaftlichen Betätigung der Stadt, insbesondere ihren vielfältigen Dienstleistungsgewerben wie Lagerung, Spedition, Geldwechsel und Bankverkehr und durch das Vorhandensein zahlreicher Klöster reichliche Geldmengen in der Stadt zusammenströmten.

Dass Geld- und Kreditgeschäfte in Neuss eine große Rolle spielten, lässt sich seit dem 14. Jahrhundert in wachsendem Umfange belegen, da erst damals die Quellen deutlicher zu werden beginnen. Für die frühere Zeit ist man auf indirekte Schlüsse angewiesen, wie etwa auf Meldungen über das Vorhandensein von jüdischen Gemeinden in Neuss, von denen wir 1096 und 1187 hören.

Da die Juden nicht unter das kirchliche Zinsverbot fielen, waren sie im Mittelalter die einzigen, die auf Pfänder Geld verleihen durften.

1346 beschlossen Schöffen und Ratsmitglieder, es solle keiner von ihnen mehr Schuldbriefe an Juden durch sein Amtssiegel öffentlich beglaubigen. Nur wenn er selbst ein Darlehen aufnehme, solle es erlaubt sein, aber dann dürfe es nur unter dem Vorbehalt einer jederzeitigen Änderung der Vertragsklausel geschehen.

Durch diesen Beschluss sollten die vielfach als zu hart empfundenen Bedingungen der Schuldbriefe eingeschränkt werden, die gerade im 14. Jahrhundert immer wieder zu Exzessen gegen die Juden führten.

Auch der Geldwechsel spielte in Neuss bei weiten Kreisen eine große Rolle, das ersehen wir aus einem Streit der Bürgerschaft mit dem Neusser Patrizier Hermann von Kothausen d. J. Offenbar hatte sich dessen Vater in Neuss ein Monopol als Geldwechsler verschafft oder angemaßt, das sein Sohn nach dem Tode des Vaters nicht halten konnte.

Am 2. September 1356 willigte er ein, dass in Zukunft wieder jeder Neusser Bürger sich mit Wechselgeschäften in Gold, Silber und Dinaren betätigen könne, „auf dass die Stadt Neuss in ihrer alten Freiheit und guten Gewohnheit verbleibe". Im Jahre 1333 erfolgt die förmliche Gründung eines Bankgeschäftes durch den Lombarden Johannes Baptist, genannt Dornais, also wohl aus Tournai in Belgien herüberkommend.

Das Geschäft muss einen gewissen Umfang gehabt haben, denn es wird ihm gestattet, drei Gesellschafter aufzunehmen.

Im 14. und 15. Jahrhundert hören wir häufig von den verschiedensten bankmäßigen Geschäften in Neuss, so von Kreditgewährungen an hohe Persönlichkeiten, von Geldwechsel, Pfandleihungen, Verwahrungen, Ein- und Auszahlungen und dergleichen.

Angehörige des Patriziats, also der wohlhabenden Schichten, befassen sich mit diesen Geschäften, aber auch Juden. In der weiten Umgegend bis ins Bergische Land, auch bei Amtsstellen, so in Düsseldorf und Duisburg, am Niederrhein und auf den Burgen des landsässigen Adels sind Neusser Bankfirmen wohlbekannt. Im 15. und 16. Jahrhundert lieh z. B. die Stadt Andernach wiederholt Geld bei Neusser Bürgern.

In diesen Jahrhunderten können wir beobachten, wie nicht nur der Städter, sondern auch die Landbevölkerung anfängt, mit Geld zu rechnen. Große und kleine Bauern beginnen sich bei Erbauseinandersetzungen, Hofkäufen, Unglücksfällen m Haus und Stall nach Kredit umzusehen, öffentliche und private Kreditinstitute, Genossenschaften, Sparkassen und Versicherungen hat aber erst das 19. Jahrhundert für diese Zwecke entwickelt.

Die früheren Jahrhunderte waren auf die patrizischen Rentnerfamilien angewiesen, die in den Städten wohnten. Diese waren in immer steigendem Maße dazu übergegangen, nach einigen Generationen Kaufmannstums sich vom Geschäft zurückzuziehen und ihr Handelsvermögen in Landgütern, Bauernhöfen und Renten aus Grundstücksbeleihungen anzulegen. So machten es auch viele Klöster, denen in ihrer langen Geschichte von ihren Insassen Gut und Geld zugebracht worden war.

Stadtbürger und Klöster, beide in Neuss zahlreich und wohlhabend, erfüllten bis ins 18. Jahrhundert eine sehr wichtige Wirtschaftsaufgabe als Kreditgeber für Fürsten, Städte und das flache Land.

Es wäre der Mühe wert, für das 15. bis 18. Jahrhundert nachzuweisen, wie groß und weit verstreut am ganzen Niederrhein der Güterbesitz der Neusser Klöster und Bürger und wie umfangreich ihre Kapitalausleihungen gewesen sind. Am Ende des alten Reiches galt im Erzstift Köln die Stadt Neuss nicht nur die Bürger, sondern auch die Stadt als solche mit zu den finanzkräftigsten im Lande. Nicht die geringste Schwierigkeit im Geldgeschäft war die fast unübersehbare Vielzahl der Münzsorten und die Unsicherheit ihrer Bewertung.

Geldsorten aus allen Herren Ländern liefen auf den großen Handelsstraßen, besonders am Rhein, um. Eine Prüfung der Münzen auf Gültigkeit, Reinheit des Metalls, volles Gewicht, Wechselwert und Beliebtheit beim Volke konnte nur der erfahrene Kaufmann vornehmen, und daher war seine Aufgabe als Wechsler so wichtig. Aber auch er allein konnte die Dinge nicht meistern, es waren feste Maßstäbe nötig, wie der Wert der einzelnen Sorten zueinander gelten sollte.

Daher war es ganz natürlich, dass die Städte sich dieser Aufgabe annahmen. Zahlreiche Abkommen zwischen Städten und Landesherren konnten die Übelstände nicht ausrotten oder schufen nur vorübergehende Ordnung. Wir heutigen kennen die Inflation des Papiergeldes, frühere Zeiten haben sich immer wieder mit der Inflation der Münzen plagen müssen.

Der Kaufmann musste also ständig auf die Verschiebung der Wertunterschiede zwischen den zahlreichen Münzen achten. Jede Gegend hatte noch zusätzlich weitere Bewertungsmaßstäbe. Im Lande bekannte und geschätzte Münzen, die jederzeit wieder ohne Verlust in Zahlung gegeben werden konnten, waren beliebter als Geldsorten unbekannter Herren, die nur selten einmal vorkamen, und was derartige örtliche Gründe mehr waren.

Von Ort zu Ort galten unterschiedliche Bewertungsgewohnheiten; ein Dinar oder Pfennig konnte an dem einen Ort einen anderen Wechselwert haben als an einem eine Tagesreise entfernten.


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